Falldokumentation, Einzelsetting, Aufstellung mit Playmobilfiguren am Familienbrett
Abgrenzung, Arbeit mit dem inneren Kind und dem inneren Erwachsenen
Starke Handlungsunfähigkeit durch Rheumaschmerz, wenn sorgfältig getroffene Entscheidungen der Klientin unvermeidbar unbequeme Auswirkungen haben.
Tritt zum Beispiel im Beruf auf, wenn die Klientin die Wahrheit sagt und für ihre Überzeugungen eintritt, auch wenn das unbequeme Umwege für die Firma und die Mitarbeiter bedeutet. Auf lange Sicht führt ihre offene Kritik jedoch zu mehr Erfolg.
Auf lange Sicht führt ihre offene Kritik jedoch zu mehr Erfolg.
Klientin: 50 Jahre alt, Projektmanagerin
Bisherige Therapieerfahrung: Tiefenpsychologische Psychotherapie, abgebrochen
Ausgangslage:
Die Klientin leidet seit ihrer Kindheit an starkem Rheuma. Es zwingt sie immer wieder dazu, tagelang im Bett liegen zu bleiben. Die Schübe kommen oft sehr schlagartig, mit großer Wucht und nehmen ihr komplett die Kontrolle über ihr Leben. Besonders gegenüber Personen, die autoritär ihre Macht missbrauchen, reagiert sie nach Konflikten mit starkem Rheumaschmerz. Dieser Zusammenhang wirkt sich besonders auf ihr Berufsleben aus. Sie liebt ihren Job, wird dort anerkannt und wertgeschätzt. Nach den benannten Konflikten somatisiert sie jedoch so stark durch Rheuma, dass sie aufgrund des Leidensdrucks gerne eine Aufstellung machen möchte. Sie hat kein Problem damit, ihren Überzeugungen zu folgen, möchte es aber ohne Rheuma schaffen.
Vorgehen:
Nachdem die Klientin ihr Anliegen geschildert hat, formuliert sie in Zusammenarbeit mit mir die konkrete Fragestellung „Wie kann ich schmerzfrei meinen Überzeugungen folgen?“ für eine Einzelarbeit mit Playmobilfiguren.
Ich bitte sie, sich an eine konkrete Situation aus ihrer Kindheit zu erinnern, in der das Rheuma frühzeitig durch die oben beschriebenen Konflikte auftrat. Sie schildert, wie sie als Grundschülerin wochenlang von ihrem psychisch kranken Vater gezwungen wurde, ihre Hausaufgaben wieder und wieder abzuschreiben, obwohl sie fehlerfrei waren. Sie waren ihm nicht perfekt genug. Sie hat sich verbal vehement gewehrt und durch starkes Rheuma reagiert.
Ausgehend von dieser Situation möchte sie sich als Kind, ihre Mutter, ihre Schwester, ihren Vater, den Schmerz und die Nachbarn aufstellen. Die Nachbarn stehen als Symbol für Menschen, die weg geschaut haben anstatt zu helfen. Ich gebe ihr die Aufgabe noch einen Gegenspieler zum Schmerz aufzustellen, damit sie sich nicht zu sehr auf das Negative konzentriert. Sie wählt die Selbstliebe. Nachdem sie alle Figuren ausgewählt und aufgestellt hat, soll sie jeder Figur einen Satz zuordnen:
Sie als Kind: „Ich mache doch alles richtig!“
Mama: „Benimm dich!“
Papa: „Reiß dich am Riemen!“
Schmerz: „Du hast Recht, ich unterstütze dich.“
Selbstliebe: „Ich möchte dir helfen.“
Nachbarn: „Was macht der Mann da?“
Schwester: „Streng dich einfach mehr an.“
Das aufgestellte Szenario beschreibt sie als erdrückend mit einem Gefühl von großer Einsamkeit und Hilflosigkeit. Sie hat das Gefühl, sie müsse Schmerzen haben, um Recht zu haben. Sie stellt fest, dass der Schmerz ihre einzige Stütze war. Es macht sie traurig, dass sie die Selbstliebe aus dem Blickfeld verloren hat.
Im Anschluss schildere ich meine Sichtweise, die ganz ähnlich ist. Ihre Verzweiflung und die Hilflosigkeit sind stark für mich spürbar. Ebenso die immense Autorität des Vaters. Besonders fällt mir in ihrer Position auf, dass ich mich bewegungsunfähig fühle und es nicht einmal schaffe, meinen Kopf zur Selbstliebe umzudrehen, die hinter mir steht. Ihre Figur steht der des Vaters scheinbar hilflos gegenüber. Weit dahinter stehen Nachbarn, Schwester und Mutter. Die Selbstliebe ist am weitesten entfernt und schaut in eine ganz andere Richtung.
Nun fragen wir die einzelnen Figuren ab. Erst die Klientin und dann ich. Einmal mehr wird deutlich, dass es damals keinen anderen Ausweg für sie gab, als Rheuma zu entwickeln. Der Rheumaschmerz war verlässlich für sie da und hat sie ihre einsame Kindheit überleben lassen. Er steht so nah an ihr, dass sie ohne ihn umfallen würde und sie sagt den Satz: „Ich muss leiden, um Recht zu haben“, als ihre Figur abgefragt wird. Der Vater sagt: „Selbstliebe ist Luxus und bringt dich nicht weit.“
Zusammen beschließen wir im Soll-Bild noch eine zusätzliche Hilfe für sie aufzustellen und wählen ihr erwachsenes Ich. Es gibt der Kinderfigur Karins (dem verletzten inneren Kind) Halt. Als sie im Soll-Bild sich als Kind, ihr erwachsenes Ich und die Selbstliebe dem Vater gegenüber stellt, kann sie den Rheumaschmerz aus dem Szanario entfernen. Er gehört so für sie nicht mehr dazu. Sie hält ihn jedoch krampfhaft fest. Ich nehme ihr die Figur weg, woraufhin sie erleichtert wirkt. Sie kam auch mit Schmerzen in den Händen in die Aufstellungsarbeit. Nun soll sie noch eine Veränderung an ihrer Figur in der ursprünglichen Aufstellung vornehmen. Sie schafft es nun ihre Figur zur Selbstliebe umzudrehen und auch weiter vom Schmerz zu entfernen.
Auf meine abschließende Frage, was das konkret im Alltag für sie bedeutet antwortet sie, dass sie sich selbst mehr im Blick haben und würdigen will. Sie sei sich der Tatsache bewusst geworden, dass sie heutzutage als Erwachsene ihrem inneren Kind in Konflikten Halt geben kann. Sie möchte häufiger selbst entscheiden, in welche Richtung sie blickt und dann lieber die Selbstliebe anstelle des Schmerzes anblicken. Sie hat erkannt, dass Selbstliebe eine gesunde emotionale Stütze sein kann, die ohne Schmerz auskommt und geht sogar ohne Rheumaschmerzen nach Hause. Sie muss keinen Schmerz empfinden, um Recht zu haben und darf sich lieben, wie sie ist.
Ein paar Tage nach der Arbeit schreibt mir dir Klientin eine E-Mail: „Hallo Lara, herzlichen Dank für die schöne und spannende Aufstellung. Es war wunderbar, wie du mich begleitet hast auf dem Weg, den Schmerz in Selbstliebe zu verwandeln.“